sondern eine "Turner" Rifle!
Welcher Thread mich zu diesem Beitrag motiviert hat, brauche ich nicht erklären...
Warum, wird wohl auch schnell klar.
Eigentlich ein gewöhnliches Gewehr für Schützenfeste im Amerika Mitte des 19. Jahrhunderts.
Englisch? Deutsch? Interessierte niemanden. GUT! Das war wichtig.
Hergestellt von einem William Hudson aus Cincinnati/Ohio. Caliber .40", also recht "zart".
Und zeitgemäß kurz.
Lange Gewehre wurden unbeliebt. Man ging nicht mehr zu Fuß, sondern war mit dem
Pferd unterwegs. und man wollte nicht "an jedem zweiten" Baum oder Busch mit dem
langen Gewehr hängenbleiben, insbesondere wenn's mal flott dahingehen musste.
Mode wirkt sich auch auf Bereiche aus, die vom Zweck dieser Mode nicht betroffen sind.
Also wurden auch Sportgewehre kurz. Oft auch sehr modern, auch hier haben wir einen
aushakbaren Lauf, Stecher, ein "Backaction Schloss", ...
... und eine sehr geradlinige - eine höfliche Umschreibung für "schlichte" - Formgebung. Nicht so elegant wie die Rifles der Vincents,
das war aber auch nicht gefragt. Warum ist so eine simple Büchse hier - und in diesem Zusammenhang - erwähnenswert? Was hat die
in dem Zusammenhang hier zu suchen?
Nun, landläufig sind diese Gewehre als "Turner" Rifles bekannt. Was erwartungsgemäß nichts
mit der Tina zu tun hat, sondern nicht zuletzt auch mit einer Finesse des amerikanischen Bürgerkriegs zu tun hat.
Diese eigentlich als Bench Rest Gewehre vorgesehenen Bewerbs-Rifles wurden in den 1850ern hauptsächlich von
deutschen Siedlern gekauft. Mitglieder der verschiedenen "German-American Turnvereine" oder "Turner Clubs"
in Ohio.
Diese einstigen Immigranten aus "Ole Germany" meldeten sich in großer Zahl als Freiwillige zur Nordstaaten Armee, und brachten dabei
ihre privaten Schützengewehre mit. Viele davon (die hier gezeigte aber nicht) wurden mit Aufnahme für ein langes "Säbel Bajonett" mit
Messing-Griff ausgestattet, dem "Bahn Frei" Bajonett.
So entstand die "9th Ohio Volunteer Infantry" zusammengestellt in und um Cincinnati/Ohio, eines der am häufigsten
erwähnten Deutsch/Amerikanischen Regimenter die im Amerikanischen Bürgerkrieg an der Seite des Nordens kämpften.
Eine hierzulande wenig bekannte Geschichte - klar, derartiges darf man heute ja nicht laut
sagen, ist nicht gut für's Image. Waffen für einen Krieg der mehr amerikanischen Soldaten das
Leben kostete als 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Korea und Vietnam zusammen. Und dann noch der
Bürgerkrieg der "besten Demokratie der Welt". Kommt hierzulande gar nicht gut.
Der Typ Gewehr wirkt so gar nicht deutsch, auch die Backe ist nur angedeutet.
Die "Turner" wirken allemal englischer als Hawken Rifles, vielleicht sind sie das auch.
Nur weil sie die Lieblingsgewehre deutschstämmiger Immigranten waren musste die
Konstruktion noch lange nicht deutsch sein. Damals hat das niemanden interessiert,
man nahm eben das Beste was am Markt war. Und nutzte es beim Sport, und eben
notfalls auch im Kampf.
Wie dem auch sei, recht viele Turner Rifles sind erhalten, auch in
schussfähigen Zustand. Und durchaus auch einige Replikas dürften bei diesem
Gewehrtyp ihr Vorbild gefunden haben.
besten Gruß
Werner