- Offizieller Beitrag
Die schlichten Rifles aus der Gegend der Appalachen haben ihren eigenen Charme.
Gebrauchsgewehre, keine Schmuckgegenstände sondern getrimmt auf Funktionalität.
Was ihnen aber auch eine besondere Eleganz verleiht. Zudem sind diese Büchsen auch
vergleichsweise einfach nachzubauen, zumindest entsprechen sie auch ohne Gravuren und
Verschneidungen den Originalen, und eignen sich daher gut für Neulinge.
Hier ein gut erhaltenes und sehr schönes Original, seinerzeit hergestellt von Rice Duncan, einem
Schmied und Büchsenmacher in Washington County/Tennessee. Betrachtet man das Gewehr, denkt
man sofort an die Bean Familie. Der Stil ist identisch. Nun - auch Büchsenmacher der Bean Familie
waren in Washington County ansässig, andere in Bean Station im damaligen Hawkins County/Tennessee.
Tennessee Rifles wurden oft von Dorfschmieden gefertigt, Stahl war also der gewohnte Werkstoff. Zudem war
Messing in der Gegend Mangelware, weshalb diese Gewehre aus den Appalachen meistens auf Stahl-Komponenten
aufgebaut sind. Der Stecher war verbreiteter als bei Rifles aus Pennsylvania. Wenn Teile zugekauft wurden, dann
entweder von Kollegen aus der Umgebung, oder aus britischen Quellen. Deutsche Händler waren im Gegensatz zu
Pennsylvania kaum zu finden.
Da die Bean Familie viele der lokalen Büchenmacher ausgebildet hatte,
entstand ein sehr verbreitetes einheitliches Erscheinungsbild dieser Büchsen.
Im Norden bezeichnete man dieses Phänomen als "Schule", weshalb man der
Einfachheit halber mitunter auch von einer "Bean Schule" spricht. Den Menschen
damals war ein "Schulgedanke" gleichgültig, man baute nach der Technik und der
Optik, die einem vertraut war, weil man es so gelernt hatte, oder entsprechende
Vorbilder gesehen hatte.
Gewisse Merkmale sind für Tennessee Büchsen typisch. Was nicht bedeutet, dass man sie an jedem
erhaltenen Original findet, aber doch bei gut der Hälfte der erhaltenen Exemplare. Auffällig ist beispielsweise
der extrem lange Kamm der Schaftkappe. Meist doppelt so lang, wenigstens aber ein Viertel länger als bei
den meisten PA-Rifles. Der Abzugsrahmen ist meist aus drei handgeschmiedeten Teilen zusammengelötet.
Wie kürzlich erwähnt, das vordere Züngel des Stechers ist in der Regel durchgehend gerade, das hintere recht
stark gekrümmt, im Extremfall ein perfekter Halbkreis.
Die Grundplatte des Stechers wurde nicht wie in PA kurz gehalten (vielleicht 10cm) sondern reichte über den
kompletten Schafthals bis zum Kolben. Ebenso lang war die Fahne der Schwanzschraube, weshalb diese beiden
Komponenten mehrfach miteinander verschraubt werden konnten. Das sorgte für Stabilität, selbst wenn der
Schafthals brechen sollte, war das Gewehr noch schusstauglich.
Auf Patchboxes verzichtete man meistens, wenn doch welche angebracht wurden, überwiegt die "Bananen"
bzw. "Zigarren"-Form. Oft wurden auch nur ein oder zwei etwa 2,5cm durchmessende "Löcher" in den Kolben
gebohrt, die dann mit Fett für die Schusspflaster gefüllt wurden.
Die Ladestock-Halterungen waren nicht wie in PA gegossen, sondern wurden aus Eisenblech zurechtgebogen, meist im
Schraubstock, um einen (damals meist selbst gefertigten) geeigneten Bohrer. Häufig reichten den Büchsenmachern
und Käufern 2 Ladestock-Halterungen, aufgrund der mitunter sehr langen Läufen findet man gelegentlich auch vier.
Wenn am Übergang des Vorderschafts zur Ladestock-Bohrung eine Ladestock-Halterung gesetzt wurde, war diese
im Gegensatz zu PA-Rifles meist ohne Fahne gefertigt und unterschied sich daher nicht von den anderen Ladestock-
Halterungen.
Auch auf Mündungskappen wurde gerne verzichtet, wenn man doch welche anbrachte,
sind diese häufig aus Zinn als "Skelett" in entsprechende Ausnehmungen im Vorderschaft
gegossen. Weshalb sie keine Befestigung benötigen sondern sich selbst fixieren.
Schloss Gegenplatten waren häufig eine Art "Signatur" eines Büchsenmachers, jeder formte
dieses einfachen "Plättchen" nach eigenem Geschmack, aber bei jedem gefertigten Gewehr gleich.
Dennoch überwiegt die Form des "verkehrten Ts" der Beans. Wenn das Schloss mit 2 Schrauben
befestigt wurde - worauf zunehmend verzichtet wurde) erhielt meist jede Schraube ihre eigene
Gegenplatte, die Vordere meist in Form eines "liegenden" Tropfens, Spitze nach hinten.
Der Vorderschaft ist oft nicht als "Halbkreis" ausgeführt, sondern in Form eines verkehrten
Trapezes. Auch die Backe ist meistens "verkehrt trapezförmig". Womit wir - glaube ich - so
ziemlich alle Komponenten erwähnt hätten. Die Visierung wurde nach dem Geschmack des
Kunden individuell angepasst - von gerade 'mal 2mm hohen Kimme/Korn Konstruktionen bis
hin zu hohen Buckhorn-Kimmen mit entsprechendem Korn. Verstellbare Kimmen wie auf
manchen Hawken Rifles sind mir nicht bekannt.
besten Gruß
Werner